Während eines heftigen Gewitters schlug einmal der Blitz in eine hohe Tanne und höhlte vom Wipfel bis zur Wurzel eine deutlich sichtbare und absolut regelmäßige spiralige Rinne aus, ungefähr einen Zoll tief und drei Zoll breit, eben so, wie man einen Spazierstock auskerben würde.
D. Thoreau, „Walden, oder Leben in den Wäldern“, 1854
Die neuen Objekte, Leinwandarbeiten und Malereien auf Keilrahmen, die Luc Aubort in seiner ersten Einzelausstellung in der galerie lange + pult in Zürich präsentiert, geben Einblick in die Entwicklungen seiner künstlerischen Arbeit der letzten Jahre. Die Geometrie als ordnendes und strukturierendes Element bleibt präsent, doch im Erkunden von prozessualen und experimentellen Vorgehensweisen und im Spiel mit den verschiedenen Registern dieser Formen eröffnen sich vielfältige neue Möglichkeiten.
Für seine Assemblage-Objekte fügt Luc Aubort gefundene Dinge zu einem neuen Ganzen und mischt dabei natürliche Elemente wie Steine, Holz, Moos oder Pilze mit Gegenständen aller Art. Vorzugsweise kommen sie aus einem Feld ausserhalb der bildenden Kunst: von Handwerkern überlassenes, nutzlos gewordenes Material oder Entsorgtes von der Müllhalde, Nägel aus der Hufschmiede oder Seilzeug vom Rampenverkauf des Militärs. An den Formen ebenso interessiert wie an der Vergangenheit dieser disparaten Elemente, schafft Aubort hybride Objekte zwischen Naturalia, Arte povera und
LOAD MORE +
Während eines heftigen Gewitters schlug einmal der Blitz in eine hohe Tanne und höhlte vom Wipfel bis zur Wurzel eine deutlich sichtbare und absolut regelmäßige spiralige Rinne aus, ungefähr einen Zoll tief und drei Zoll breit, eben so, wie man einen Spazierstock auskerben würde.
D. Thoreau, „Walden, oder Leben in den Wäldern“, 1854
Die neuen Objekte, Leinwandarbeiten und Malereien auf Keilrahmen, die Luc Aubort in seiner ersten Einzelausstellung in der galerie lange + pult in Zürich präsentiert, geben Einblick in die Entwicklungen seiner künstlerischen Arbeit der letzten Jahre. Die Geometrie als ordnendes und strukturierendes Element bleibt präsent, doch im Erkunden von prozessualen und experimentellen Vorgehensweisen und im Spiel mit den verschiedenen Registern dieser Formen eröffnen sich vielfältige neue Möglichkeiten.
Für seine Assemblage-Objekte fügt Luc Aubort gefundene Dinge zu einem neuen Ganzen und mischt dabei natürliche Elemente wie Steine, Holz, Moos oder Pilze mit Gegenständen aller Art. Vorzugsweise kommen sie aus einem Feld ausserhalb der bildenden Kunst: von Handwerkern überlassenes, nutzlos gewordenes Material oder Entsorgtes von der Müllhalde, Nägel aus der Hufschmiede oder Seilzeug vom Rampenverkauf des Militärs. An den Formen ebenso interessiert wie an der Vergangenheit dieser disparaten Elemente, schafft Aubort hybride Objekte zwischen Naturalia, Arte povera und surrealistischen Skulpturen. Meist bescheiden in ihrer Grösse, scheinen diese „choses“ vertraut und nah. Diese Zugänglichkeit bleibt aber letztlich uneingelöst, denn die vermeintliche Funktion der Objekte bleibt unbestimmt, oszilliert zwischen Skulptur und Werkzeug, Waffe und Fetisch.
Fast roh belassen oder umgekehrt detailliert ausgearbeitet, evozieren diese kleinen, symbolisch aufgeladenen Arbeiten barocke Ornamente, die Goldschmiedearbeit von Reliquiaren oder die flämische Präzision von Stillleben – Memento Mori, deren kunstvolle Details aufstrahlen und die gleichzeitig vom Vergehen künden. Von Anfang an war der Begriff der Erinnerung – an Formen, Objekte, Stoffe – wichtiges Element in der künstlerischen Arbeit von Luc Aubort (immer auch mit der Möglichkeit ihres Auseinanderbrechens).
Die Zerstörung lockt, und oft scheinen die Handlungen Luc Auborts an seinen Werken darauf zu zielen, sie in Gefahr zu bringen – ein Aspekt, der auch für seine Leinwandarbeiten Gültigkeit hat. Wie in Reaktion auf die Autorität der „klassischen“ Malerei auf Keilrahmen betreibt er seit einigen Jahren eine direkte Konfrontation zwischen der Farbe und dem eigentlichen Stoff der Leinwand. Auf den Leinwandarbeiten beschleunigt er, was eine normale Abnutzung des Materials sein könnte und reisst die Fäden aus dem Stoff. Schliesslich ist es die Farbe selbst, die die Lücken zwischen den verbleibenden Fäden verschliesst, der Leinwand Struktur gibt und sie vor dem völligen Ausfransen bewahrt. Ursprünglich klar definierte Formen verlieren sich so in absichtlich unscharfen, ausfransenden Rändern, und es ist als ob diese struppigen Werke nahe an der Auflösung eine unbewusste Version der Malerei seien, ihre umgekehrte Form oder ihr verstecktes Gesicht.
Auch in seinen neuen Malereien (eine Technik, die er für mehrere Jahre völlig aufgegeben hatte) erkundet Luc Aubort bildnerische Prozesse, hier besonders das Spiel der Transparenz von Tinten, die Wirkungen von Porosität und Ausdehnung oder die Zufälligkeit von Farbe und Fleck – Effekte, die er mittels geometrischer Formen strukturiert.
Immer in der Schwebe zwischen mehreren Zuständen, als ob sie nicht bloss mehrere Lesarten, sondern Möglichkeiten des Seins in sich trügen, entziehen sich die Werke von Luc Aubort den Kategorien und hinterfragen die Statuten. Mit spielerischen und nicht-systematischen Verfahrensweisen knüpfen sie ein Netz von Spannungen und prekären Gleichgewichten, in denen jedes Element das ihm nächste tragen und unterstützen – oder sich ebenso gut dagegen auflehnen kann.
Isaline Vuille
Übersetzung aus dem Französischen von Hubert Bächler